Preisträger:in 2015
«vesuv», 2015
Die schwarz gekleidete Künstlerin betritt den Raum. Sie trägt ein Seil an dessen Ende ein schwerer, weisser Alabasterstein befestigt ist. Mit sicheren Schritten geht sie in die Mitte des Raumes, platziert den Stein und sich selbst so, dass sich das Seil zwischen ihnen spannt. Das Seil fest in der Hand, beginnt die Künstlerin, sich zu drehen, den Stein um sich zu schleudern. Verunsicherung und Angst ist im Publikum spürbar, einige rücken weg: Was, wenn sie das Seil nicht halten kann, gerade in dem fragilen Augenblick, in dem sie es beim Drehen hinter ihrem Rücken von der einen in die andere Hand reicht?
Unablässig verleiht Katja Schenker dem Stein Schwung, und verstrickt sich in eine intensive und risikoreiche Beziehung mit ihm. Seine Fliehkraft verlangt ihr selbst immer mehr Energie ab. Ihr lauter werdender Atem wird begleitet vom unablässigen Holpergeräusch des Steins, der auf dem dunklen Boden nach und nach eine helle Kreisspur zeichnet. Das unberechenbare Eigenleben, das Katja Schenker durch ihr konzentriertes Kreisen im Stein weckt, überträgt sich auf das Publikum als Angst und Verunsicherung: Ob sie es schafft, seine Kraft unter Kontrolle zu halten oder wird sich dessen Energie gegen die Performerin oder das Publikum richten?
Und doch vertraut das Publikum während der ganzen Performance der Künstlerin, vertraut darauf, dass sie die fragile Balance halten kann zwischen der Wucht des Steins und ihrer eigenen konzentrierten Präsenz in der Mitte. Je länger sie und der Stein kreisen und kreisen, desto mehr legt sich auch die anfängliche Anspannung, man kreist innerlich mit in diesem Drehen... um dann in einem Augenblick jäh wieder aufzuschrecken: Der Stein ist aus der Bahn geraten und knallt an die Wand, ein Stück bricht ab. Die Künstlerin fasst sich, dreht unbeirrt weiter, immer deutlicher den weissen Kreis zeichnend. Allmählich verlangsamt sie ihre Drehungen, verkürzt sie das Seil, bis sie zur Ruhe kommt, stehen bleibt, taumelnd, nur kurz, um dann den Raum wieder zu verlassen.